Vor einiger Zeit habe ich über das niederländische Unternehmen Fairphone berichtet, welches sich zum Ziel gesetzt hat, ein Smartphone so fair wie möglich herzustellen. Weil ich die Idee gut und unterstützenswert fand, habe ich mich an dem ersten Fairphone beteiligt und als Eine der ersten 10.185 Menschen ein Fairphone bestellt und bezahlt, bevor es überhaupt produziert wurde. Ohne diese Zugeständnisse gäbe es heute wohl kein Fairphone.
Das war im Juni 2013. Kurz danach wurde es ernst. Es wurde die Zusage gemacht 15.000 Smartphones herzustellen und die Produktionskette in Gang zu setzen. Da in der noch offenen Phase immer weitere Interessenten einstiegen, wurden es letztlich 25.000 Stück. Geplantes Fertigungsdatum war Mitte Dezember, so dass die Fairphones an Weihnachten an ihre neuen Besitzer übergeben werden sollten.
Aber wie das, gerade bei solchen Unternehmungen, immer so ist, hier und da verschiebt sich etwas und am Ende wird es leider doch später als geplant. Für mich war das nicht wichtig, kenne ich diese ungeplanten Probleme doch zur Genüge. Dafür haben die Macher versucht möglichst transparent zu sein. Nicht nur in der Zeitplanung, sondern auch in der Produktion. So gab es Bilder von den Fertigungsstätten, immer wieder mal eine eMail mit Entschuldigungen und einem Update für die Fertigstellung.
Anfang diesen Jahres war es dann aber wirklich so weit und die eMail mit den Tracking Informationen für mein Fairphone fand ihren Weg in mein Mailboxfach. Wenige Tage später war es dann auch wirklich bei mir. „A seriously cool smartphone that puts social values first“ (Ein wirklich cooles Smartphone, bei dem die sozialen Werte zählen).
Denn beim Fairphone geht es nicht um höher, schneller oder weiter, sondern um faire Arbeitsbedingungen für die Minenarbeiter, die die Rohstoffe fördern und für die Mitarbeiter, die die Teile herstellen und am Ende zusammenschrauben. Es geht um die Langlebigkeit (Batterie austauschbar, separates Deckglas, keine Verklebungen) und die Wiederverwertbarkeit (zwei SIM Kartenhalter, welche für Schwellenländer wichtig sind). Dabei entspricht die Ausstattung einem heutigen „Mittelklasse“ Smartphone.
Der erste Eindruck ist gut. Es ist schwerer als man es von anderen Smartphones gewöhnt ist, liegt aber recht gut in der Hand, auch wenn ich es für eine Frauenhand zu groß finde. Die Verarbeitung ist top und es schaut sehr hochwertig aus. Das Display läßt sich gut bedienen und reagiert flott. Auch die kleinen Verbindungspunkte für das austauschbare Deckglas fallen nur bei einem sehr hellen Hintergrund auf und stören sonst überhaupt nicht. W-Lan funktioniert zuverlässig, auch die mobile Datenverbindung ist flott.
Die Kamera bietet zwar 8 MP, die Farben werden bei Zimmerlicht allerdings etwas flach abgebildet. Aber es ist ja ein Smartphone und keine Kamera, also kein Problem. Telefonieren kann es auch, SMS versendet es auch anstandslos und für alles was man sonst so mit einem Smartphone machen kann, ist es im Grunde auch ausgetattet. Scheint wirklich ein ’serious cool smartphone‘ zu sein… wenn, ja wenn da nicht das Betriebssystem wäre.
Bisher hatte ich keinen wirklichen Kontakt zu Android und habe mir daher darüber auch überhaupt keinen Kopf gemacht. Nun musste ich aber feststellen, dass zwar die Hardware eines Fairphones so fair wie zur Zeit nur möglich produziert wurde, die Software aber alles andere als fair ist. Ohne Googleaccount geht eigentlich gar nichts. Und selbst mit, wird das gesamte Telefon auf Googles eigene Angebote reduziert. – Einen Kalender von einem anderen eMailAnbieter als google synchronisieren? Jeder App einzeln die Erlaubnis geben, ob es auf meine Adressen, Fotos, das GPS oder sonstige Daten zugreifen darf, oder sich über mobile Daten aktualisieren darf? Fehlanzeige.
Irgendwie nicht sonderlich fair. Das sehen die Fairphone-Entwickler grunsätzlich auch so, allerdings hat es bisher mit einer Kooperation mit Firefox OS, Sailfish OS oder Linux nicht geklappt. Diese Betriebssysteme wären sicher eine sinnvolle Alternative zu Android, aber noch stecken sie in den Kinderschuhen, wobei Sailfish aktuell auch auf den Andoridmarkt für die Apps zurückgegreift.
Für mich stellt Android jedenfalls keine faire Alternative dar und so habe ich mich schnell entschlossen mein Fairphone weiterzugeben. – Was bleibt am Ende? Die Erfahrung, dass es sich lohnt in das zu investieren, an das man glaubt – denn die Hardware is as fair as possible. Die nächste Produktionsreihe steht schon in den Startlöchern, mehr als 25.000 weitere Interessenten haben sich bis heute gemeldet. Vielleicht dann schon mit einem fairen Betriebssystem. Und vielleicht ist es ein Zeichen an die anderen, großen Hersteller, dass es nicht immer nur um Größe und Geschwindigkeit geht, sondern um faire Bedingungen, für alle.
Für mich heißt das, dass ich mein aktuelles Samrtphone so lange behalten werde, bis es auseinander fällt. Was hoffentlich nicht so bald passiert. Denn alles andere, wäre mehr als unfair.